Allen Verboten zum Trotz: Auf der Mittelmeerinsel Zypern hat der Vogelmord industrielle Ausmaße erreicht. Rotkehlchen, Drosseln oder Grasmücken werden dort gegrillt und millionenfach verspeist.
Viele Zyprer schätzen es als Delikatesse: Ambelopoulia – das traditionelle Gericht aus gegrillten oder marinierten Singvögeln. Rotkehlchen oder Drosseln stehen zwar in keinem zyprischen Lokal offiziell auf der Speisekarte, serviert werden sie allen Verboten zum Trotz vielerorts dennoch.
„In keinem anderen Land in Europa werden so viele Vögel so vieler Arten getötet wie in Zypern“, sagt Andrea Rutigliano vom Komitee gegen den Vogelmord. Zwei Millionen Zugvögel fielen nach Angaben der Tierschützer im vergangenen Jahr Wilderern auf der Mittelmeerinsel zum Opfer.
Mit Netzen und Leimruten – mit Kleber präparierten Zweigen – machen die Wilderer Jagd auf die Zugvögel, die im Frühling und Herbst Station auf der Insel machen. Lautsprecher, aus denen der Ruf der Grasmücken erklingt, locken die Beute an.
Bis zu 4000 Wilderer trieben in den Wäldern und auf den Hügeln der Insel ihr Unwesen, schätzt das in Bonn ansässige Komitee gegen den Vogelmord.
Rund 150 Vogelarten betroffen
„Die Lage ist sehr beunruhigend und wird immer schlimmer“, sagt Martin Hellicar von der Organisation Birdlife Cyprus. In den Jahren vor dem EU-Beitritt Zyperns 2004 seien die Behörden streng gegen die illegale Jagd vorgegangen, 80 Prozent weniger Vögel seien damals getötet worden.
In jüngster Zeit habe die Wilderei jedoch wieder stark zugenommen, sagt Hellicar. 150 Vogelarten sind seinen Angaben zufolge betroffen – auch solche, die vom Aussterben bedroht sind.
„Wenn die Leute sie im Restaurant essen, dann denken sie an einen Großvater, der ein paar Vögel mit der Leimrute fängt“, sagt der Vogelschützer. „Aber in Wirklichkeit handelt es sich um ein gut organisiertes Geschäft, mit dem sehr viel Geld gemacht wird.“
Ein Teller Ambelopoulia kostet im Lokal zwischen 40 und 80 Euro. Insgesamt rund 15 Millionen Euro werden mit dem illegalen Handel Jahr für Jahr umgesetzt, schätzt die für den Vogelschutz zuständige zyprische Behörde.
Die Mafia kontrolliert bestimmte Gebiete
Er verdiene Tausende Euro mit den Vögeln, sagt ein Wilderer. „Alle machen es“, fügt er hinzu. Inzwischen sei auch die organisierte Kriminalität mit im Spiel, berichtet Vogelschützer Hellicar. „Mafia-Typen, die ihr Geld sonst mit Glücksspiel und Prostitution machen.“ In der Fangsaison kontrollierten bereits bewaffnete und maskierte Banden nachts bestimmte Gebiete im Südosten der Insel.
Die Verantwortlichen schieben sich derweil gegenseitig den Schwarzen Peter zu. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten gehe die Wilderei deutlich zurück, „aber in den britischen Basen nimmt sie zu“, sagt Pantelis Hajigierou, Chef der zuständigen zyprischen Behörde.
„Das größere Problem ist die politische Haltung“, sagt hingegen James Guy, Kommandeur in der Militärbasis Dhekelia. „Da gibt es mächtige Leute, die die Jagd unterstützen – wenn auch nicht offen.“
Das Gesetz sieht für Wilderer Strafen von bis zu 17.000 Euro und bis zu drei Jahren Haft vor. Aber niemand sei bislang zu mehr als ein paar Hundert Euro Geldstrafe verurteilt worden, sagt Tierschützer Hellicar. „Das schreckt keinen ab.“
Quelle: Welt.de
Am meisten gewildert werde in den britischen Militärbasen auf Zypern, beklagen die Tierschützer. Unterstützung bekommen sie auch von royaler Seite: Prinz Charles sprach in einem Brief an den zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades und den Kommandeur der britischen Streitkräfte auf der Insel von einem Vogelmord „industriellen Ausmaßes“.